Nahezu jeder vierte Verkehrsunfall lässt sich auf Müdigkeit zurückführen – so hoch schätzen Experten das Gefahrenrisiko von Sekundenschlaf ein. Noch erschreckender sind die Ergebnisse einer Umfrage von Kantar-Emnid unter 350 LKW-Fahrern: Demzufolge glauben 85 Prozent der Fahrer, dass sie den Zeitpunkt, ab dem sie in Sekundenschlaf verfallen, vorhersehen können. Wissenschaftliche Tests haben jedoch längst bewiesen, dass das nicht möglich ist. Wie aber können Fuhrparkleiter ihre Fahrer dabei unterstützen, nicht in diese gefährliche Falle zu tappen?
Wie der Name es bereits vermuten lässt, handelt es sich bei Sekundenschlaf um eine sehr kurze Zeitspanne, in der die betreffende Person einschläft. Tatsächlich kann sich das jedoch um bis zu 15 Sekunden – oder sogar länger – handeln. Und entgegen der allgemeinen Annahme ist nicht nur der eigentliche Sekundenschlaf eine Gefahr. Wer so müde fährt, dass er jederzeit in einen kurzen Schlaf verfallen könnte, ist generell nicht mehr aufmerksam und wach genug, um in brenzligen Situationen angemessen zu reagieren.
Am gefährlichsten ist Sekundenschlaf übrigens nicht in der Nacht, sondern am frühen Morgen. Dann sind viele Fahrer die Nacht durchgefahren und vollends übermüdet. Entsprechend steigt die Zahl der damit verbundenen Unfälle zwischen 6 und 7 Uhr morgens auf den Höchststand.
Wichtig ist, sich klarzumachen, dass Müdigkeit nicht einfach weggedacht werden kann. Weder Willenskraft noch ein offenes Fenster oder laute Musik helfen gegen kurzzeitiges Einnicken. Doch gerade diese „Tricks“ werden zusammen mit Kaffee oder Energy-Drinks gerne gegen Übermüdung genutzt. Abhilfe schafft hingegen nur eine Maßnahme, nämlich ein kurzer Power-Nap auf dem Rastplatz von 10 bis 20 Minuten. Länger sollte die Pause jedoch nicht sein, ansonsten besteht die Gefahr, dass der Schlaf zu tief ausfällt. Manchmal kann es zusätzlich helfen, sich kurz an der frischen Luft zu bewegen.
Beides sind jedoch Maßnahmen, die der Fahrer bei akuter Müdigkeit selbst durchführen muss. Unterstützung kann der Fuhrparkleiter bieten, indem er sich für weniger Zeitdruck bei Auslieferungen und der Option zusätzlicher (kurzer) Pausen einsetzt. Denn viele Fahrer trauen sich aufgrund knapp kalkulierter Fahrtzeiten nicht, eine eigentlich notwendige Pause zu machen. Eine entsprechende Richtlinie des Unternehmens, die Power Naps bei langen Fahrten ausdrücklich willkommen heißen, hilft dabei.
Übrigens: Müdigkeitswarnsysteme gaukeln falsche Sicherheit vor. Tests haben bewiesen, dass müde Fahrer umso länger bei hoher Übermüdung fahren, wenn sie in einem Fahrzeug mit einem solchen System sitzen. Langsame Reaktionszeiten und Sekundenschlaf kann ein Warnsystem jedoch nicht verhindern. Entsprechend sollten Fuhrparks darauf verzichten und stattdessen einen Kulturwandel anstreben.