Vom Staub der Trümmerjahre befreit: Mitarbeiterwohnungen werden zum HR-Trend

teaserVom Staub der Trümmerjahre befreit: Mitarbeiterwohnungen werden zum HR-Trend

Fachkräftemangel, hohe Fluktuationsraten, Wohnungsmangel – es gibt genügend Gründe, weshalb ein Unternehmen nicht die passenden Talente vor Ort findet. All diese Probleme mit einer einzigen Maßnahme zu lösen, wäre optimal. Das denken sich immer mehr Unternehmen – und weisen für Ihre Angestellten wieder Mitarbeiterwohnungen aus. Ist das keine Möglichkeit, helfen Personalabteilungen bei der Wohnungs- und Immobiliensuche oder bieten gleich ein komplettes Umzugs-Management als Paket für neugewonnene Fachkräfte an. 

Aber auch bestehendes Personal kann durch das Angebot einer Werkswohnung gebunden werden: Wer in einer gestellten und vergünstigten Wohnung seines Arbeitgebers lebt, ist nachweislich loyaler und glücklicher mit dem Arbeitgeber. Denn Nettokaltmieten von etwa 8,79€ bis 12,79€ pro Quadratmeter in Großstädten wie München sind ein attraktives Angebot. 

 

Wie können Unternehmen solche Konditionen anbieten?

Die wenigsten Firmen werden einfach die Mehrkosten einer regulären Anmietung übernehmen – obwohl das ebenfalls eine Möglichkeit ist. Viel öfter dagegen entscheiden sich Unternehmen bereits vorhandenes, aber ungenutztes Brachland in Firmenbesitz mit Häusern zu bebauen. Verzichten sie dann auf die maximale Profitmarge, ergeben sich günstigere Mieten. 

Doch Vorsicht: Vermietet ein Unternehmen an seine Mitarbeiter deutlich unter dem örtlichen Mietspiegel, zählt dies als geldwerter Vorteil – auf den Lohnsteuer sowie Sozialabgaben fällig werden. Wer darauf verzichten möchte, sollte sich also möglichst am unteren Ende des Mietspiegels orientieren. Bei Arbeitgebern der öffentlichen Hand sieht dies jedoch anders aus: Weil hier die Gehälter fest an Tarifverträge gebunden sind, können oftmals keine konkurrierenden Löhne gezahlt werden. Eine deutlich vergünstigte Miete kann so den entscheidenden Wettbewerbsvorteil liefern. Diesem Modell folgen zahlreiche städtische Betriebe, etwa die Stadtwerke München. Sie bauen dementsprechend die Zahl ihrer Mitarbeiterwohnungen bis 2022 auf insgesamt 1100 aus. Die Arbeitgebermarke profitiert laut eigenen Angaben davon sehr stark. 

 

Mitarbeiterwohnungen gibt es seit Anbeginn der Industrialisierung

Das Konzept ist allerdings nicht neu: Bereits seit Anbeginn der Industrialisierung im 19 Jahrhundert war Wohnungsnot ein häufiges Problem großer Unternehmen. Die ersten Werkswohnungen sind so schon 1846 bezeugt. Damals zogen Bergbauregionen wie das Ruhrgebiet Massen an Arbeitern an, doch die Städte konnten diesen Ansturm nicht auffangen. Zu dieser Zeit war es nicht unüblich, sich ein Bett mit einem oder gar zwei weiteren Schichtarbeitern zu teilen. Kaum war der eine aufgestanden, legte der nächste sich ins noch warme Bett. Wo selbst das nicht mehr ausreichte, errichteten Industrielle Mietskasernen für ihre Fabrikarbeiter. 

Im jungen Kaiserreich zog die Verstädterung weiter an und Unternehmer erkannten, dass sie ohne entsprechenden Wohnungsbau nicht die benötigten Arbeiterzahlen rekrutieren konnten. So ließ Siemens in Berlin zahlreiche Arbeiterwohnungen bauen – die BASF begründete in Ludwigshafen sogar eine ganze Stadt mit ihren Werkswohnungen und -häusern. Einen Hochpunkt stellte schließlich die Zeit des Nationalsozialismus dar: 1937 verzeichnete das Reich 466.000 Werkswohnungen für Arbeiter. 

Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges wurde dieses Prinzip aufgrund der neuerlichen Wohnungsnot konsequent fortgesetzt. Allein in der BRD gab es in den 70er Jahren so erneut mehr als 450.000 unternehmenseigene Werkswohnungen. Darauf folgte jedoch ein stetiger Verkauf und Abbau der Wohnungen und Häuser, weil man aufgrund der schrumpfenden Bevölkerung davon ausging, dass Wohnungen nicht mehr knapp werden könnten. Spätestens in den 90er Jahren waren die Altbestände dann so sanierungsbedürftig, dass sie zur Schönung der Bilanzen oder um sich stärker auf das eigentliche Kerngeschäft zu konzentrieren verkauft wurden. 

 

Heute wird Wohnraum in den Städten knapp und teuer

Durch die wachsende Zuwanderung und Verstädterung in den letzten Jahren zeigt sich nun der dahinterliegende Trugschluss. Gut angebundener Wohnraum, insbesondere in den Städten ist nahezu überall in Deutschland knapp, Miet- und Kaufpreise steigen kontinuierlich an. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) schätzt, dass es aktuell nur noch etwa 100.000 Werkswohnungen in Deutschland gibt. 

Dieser Trend kehrt sich nun um: Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, setzen Unternehmen verstärkt auf verschiedene Anreize, um diese Talente an sich zu binden. Doch je mehr Unternehmen auf diesen Zug aufspringen, umso ausgefallenere Maßnahmen sind nötig. Urlaubs- sowie Weihnachtsgeld, zusätzliche Urlaubstage oder Homeoffice sind so zum neuen Standard für Mangelberufe geworden. Da der Bedarf auf diese Weise immer noch nicht gedeckt werden kann, wetteifern Firmen mit weiteren Anreizen. Mitarbeiterwohnungen, Umzugshilfe oder -prämien sind daher nur der nächste konsequente Schritt. 

Datum: 18 May 2018, 10:05 am
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