Im exklusiven Interview spricht Thomas Biedermann, Managing Director der dwa, über Potentiale und Imageprobleme datengestützten Marketings und die Einführung der DSGVO.
Spricht man über zeitgemäßes Marketing, so spricht man heutzutage fast zwangsläufig auch über Intent Data – Online-Daten, die auf bestimmte Interessen von Nutzern hinweisen. Wo genau sehen Sie die Vorteile von Intent Data gegenüber klassischer Display-Werbung?
Intent Marketing ist, meines Erarchtens, die Antwort auf den immer lauteren Schrei des Marktes nach Relevanz. Wenn Sie den stärksten und größten Kritikern zuhören, kommt immer das Thema „Irrelevanz“ bzw. „Outdated“ auf den Tisch, sprich es werden Inhalte angezeigt, für die man sich schon lange nicht mehr oder überhaupt nicht interessiert. Für Unternehmen und ihre Marketingabteilungen kann Intent, sofern richtig eingesetzt, zu Einsparungen der Werbeausgaben führen, da weniger Werbeeinblendungen zu gleichem bzw. besseren Ergebnis kommen können.
Trotzdem kommt in jüngsten Medienberichten die Werbung mit Hilfe dieser Daten oftmals nicht gerade gut weg. Zu unrecht?
Cambridge Analytica hat den Stein, den eigentlich die Datenschutzgrundverordnung bzw. ePrivacy-Verordnung hätte in Rollen bringen sollen, angestoßen. Plötzlich wird man sich der eigenen Daten und der Transparenz – wieder einmal – bewusst. Und das fühlt sich für viele Endverbraucher eben nicht gut an. Aber das ist kein überraschendes Ergebnis.
Dass das Geschäftsmodell von beispielsweise Facebook massiv mit personalisierter Werbung zu tun hat, ist allgemein bekannt. Trotzdem wird in der jüngsten Berichterstattung und in den öffentlichen Foren zeitweise so getan, als wäre das eine Neuigkeit. Ist die Diskussion scheinheilig?
Der ARD-DeutschlandTrend Studie aus 2018 zufolge befürchten zwei Drittel einen Datenmissbrauch – insbesondere im sozialen Umfeld – allerdings nur 2% wollen tatsächlich etwas dagegen unternehmen. Ich würde jetzt nicht so weit gehen und sie scheinheilig nennen, allerdings genießt der Datenschutz – und das habt die Vergangenheit häufiger gezeigt – keine dauerhaft prominente Präsenz. Insbesondere wird dies deutlich, wenn Sie sich die Entwicklung des eCommerce bei Playern wie Amazon etc. ansehen, bei denen in der Regel nur mit höchst-sensiblen Daten gearbeitet wird und dessen Profiling State-Of-The-Art ist. Aber die Chance auf ein Schnäppchen, inklusive Same-Day- oder Next-Day-Delivery scheinen doch zu überwiegen.
In den vergangenen Jahren positionierte sich datengestütztes Marketing klar als deutlich zeitgemäßere – weil auch profitablere – Alternative zu klassischer Print- oder auch Display-Werbung. Deutet sich jetzt eine Trendwende an?
Jein. Das verhält sich ziemlich vergleichbar zu dem Trend der Lead Generierung, dem in der Vergangenheit alle nachgerannt sind, bis man irgendwann festgestellt hat, dass die Qualität der generierten Leads nur noch sehr dürftig bis schlecht werden. Auch hier wird wieder mit zweierlei Maß gewertet: Wieso nehmen Entscheider an, dass eine Umstellung des eigenen Marketings-bzw. Mediaplans automatisch zu einem anderen Medienkonsum führen? Warum sollte die Zielgruppe – insbesondere die B2B Zielgruppe – gänzlich auf gedrucktes Papier verzichten? Ich würde mir sehr wünschen, wenn es zu einer Anpassung der Kommunikationsmaßnahmen kommen würde und zu einem Abbildung des Zielgruppen-Mediakonsums im Mediaplan. Mit Print. Mit Außenwerbung. Und mit Intent Marketing.
Monatelang schienen viele Unternehmen recht gelassen auf die Einführung der EU-Datenschutzgrundverordnung zu reagieren. Das hat sich geändert. Woran könnte das – aus Ihrer Sicht – liegen?
Ich glaube Sie verwechseln Gelassenheit mit niedriger Priorität. Die Unternehmen sind aktuell, nicht allein aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage, mit ganz anderen Themen beschäftigt. Meiner Meinung nach liegt die nun höhere Priorisierung an der gestiegenen Panikmache. Die DSGVO bzw. GDPR ist ja kein neues Thema, das sich Brüssel vergangene Woche hat einfallen lassen, sondern steht schon seit zwei Jahren fest. Jetzt, ein paar Wochen vor Inkrafttreten des Gesetzes, werden diese Panikmacher immer lauter und präsenter. Wie oft habe ich in den vergangenen Wochen gehört, dass die Vergehen pauschal mit 20 Millionen Euro oder 4% des weltweiten Umsatzes als Strafe belegt werden, was natürlich Quatsch ist. Aber generell gilt eine Konzentration auf die Must-Haves und eine saubere und detaillierte Protokollierung, die das gesamte Unternehmen betrifft.
Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch, Herr Biedermann!