Online Marketing stützt sich traditionell stark auf Display Advertising, das digitale Pendant zu Plakatwänden. Während das hängende Papier für alle Passanten sichtbar ist und nur zu hoffen bleibt, dass die richtige Zielgruppe das Plakat wahrnimmt, können Display Banner gezielter ausgespielt werden. Dank themenspezifischer Werbeausspielungen werden Banner online zumeist nur im passenden Themenumfeld angezeigt. Der Vorteil: Auf Nischenseiten können so themenaffine Nutzer angesprochen werden. Allerdings erreicht diese Form der Ausspielung eben alle Nutzer der Website – nicht jeder benötigt allerdings das angebotene Produkt, der Streuverlust ist entsprechend hoch.
Retargeting versucht, dieses Problem zu minimieren. Indem ein Cookie auf die entsprechende Website gesetzt wird, können Nutzer auch nach Verlassen der Seite mit Display Bannern erreicht werden. Auf diese Weise können interessierte Website-Besucher, die beispielsweise ein Produkt genauer betrachtet haben, erneut angesprochen werden. Streuverluste werden so weiter reduziert.
Damit ist Retargeting ein sehr erfolgreiches Instrument im Display Advertising: 10 bis 12 Prozent der Werbeausgaben im deutschen Online Display Marketing gehen auf dieses Konto. Einziges Problem: Über Retargeting ausgespielte Banner können nur diejenigen erreichen, die zuvor mindestens einmal auf einer entsprechenden Website waren. Doch was ist mit Nutzern und Unternehmen, die zwar auf der Suche nach einer Produktlösung sind, aber noch nicht auf der eigenen Website waren? Bisher gab es dafür keine zufriedenstellende Lösung.
Doch die Adtech-Branche schläft nicht. In den USA etabliert sich aktuell eine neue Möglichkeit, hochspezifische Nutzergruppen über Display Advertising zu erreichen. Dabei machen die Online Marketer sich neben umfangreicher Cookie-Datenbanken Machine Learning zunutze: Predictive Targeting ist die gezielte Ansprache von besonders themenaffinen Nutzern, die vorher keinen nachweislichen Kontakt zum Webshop oder zur Unternehmenswebsite hatten. Über den verwendeten Machine Learning-Algorithmus werden sie in der Cookie-Datenbank mit bisherigen Käufern und Interessenten abgeglichen. Finden sich Profilzwillinge, sogenannte Look-Alikes, schlägt der Algorithmus diese als potenzielle Zielgruppe vor. Dabei ist der Algorithmus selbstlernend und trifft auf diese Weise immer exaktere Vorhersagen. So können Streuverluste weiter reduziert und Kaufwahrscheinlichkeiten zusätzlich erhöht werden.
Auf den ersten Blick können die Preise für Predictive Targeting zugegebenermaßen abschreckend wirken, denn der TKP kann durchaus höher als im klassischen Retargeting liegen. Allerdings sind die Kosten pro Kauf (Cost per Order, CPO) in diesem Fall die entscheidende Kennzahl. Diese sinkt durch Einsatz des intelligenten Targetings im Schnitt um 45 Prozent. Auch die Conversion Rate belegt eine deutlich gesteigerte Wirkung: Predictive Targeting Kampagnen weisen eine um das bis zu 5fach erhöhte Conversion Rate auf. Die erhöhten TKP armortisieren sich entsprechend über die Lebensdauer des Kundenkontakts – rechnet man Erst- und Wiederkäufe hinzu – sehr deutlich.
Predictive Targeting könnte sich auf diese Weise zur neuen Geheimwaffe im Display Advertising entwickeln. Dafür gelten jedoch besondere Voraussetzungen, die das Prozedere ein wenig aufwendiger gestalten als bisher vielleicht üblich:
In den USA hat sich die erfolgreiche Vorhersage von Nutzerverhalten im Display Advertising bereits stärker etabliert als hier. Doch das Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im nächsten Monat könnte Predictive Advertising beflügeln: Dann werden die Regelungen zum Umgang mit Daten verschärft. Das könnte eine bessere Nutzung bestehender Datensätze fördern – neue Daten könnten künftig schwieriger zu generieren sein.