Große Schlagzeilen machte vor wenigen Wochen die Abteilung E-Commerce der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin: Auf einer eigenen Internetpräsenz zeigte sich das gesamte Team – mitsamt aller seiner beruflichen Qualitäten und Qualifizierungen. Ziel war es, gemeinschaftlich von einem Konkurrenten entdeckt und möglichst geschlossen übernommen zu werden. Und das (zumindest teilweise) erfolgreich: Ab nächstem Jahr startet eine Unterabteilung bei einer Tochterfirma von FischerAppelt.
Damit hat die ehemalige Air-Berlin-Abteilung ein neues Phänomen im Recruiting aufgegriffen: Team Hunting heißt das Verfahren, bei dem eine gesamte Abteilung oder ein Einsatzteam geschlossen den Arbeitgeber wechselt. Headhunter berichten davon, dass Unternehmen sich gegenseitig fähige Kollegenkreise streitig machen – denn nur selten beschließt ein ganzes Team aus eigenem Antrieb, gemeinsam zu gehen.
Vollkommen neu ist Team Hunting im Personalwesen jedenfalls nicht: Bei Finanzberatern ist der diskrete Wechsel mit dem eigenen Team durchaus verbreitet. Und auch Werbeagenturen haben es bereits erlebt, dass mit einem Kunden ein gesamtes Einsatzteam aus dem Unternehmen schied. Schließlich nimmt Team Hunting aufgrund des Fachkräftemangels nun zu.
Laut einer Umfrage des Bitkom aus 2015 ist Team Hunting bei 17% der befragten Unternehmen ein HR-Thema. Zwar nutzt erst eine Avantgarde von 7% diese neue Recruiting-Strategie, doch gab es keinerlei negative Erfahrungen damit. Dass Team Hunting noch nicht weit verbreitet ist, machte die Studie ebenfalls deutlich: Ganze 78% konnten mit dem Begriff noch nichts anfangen. 18% äußerten ethische oder moralische Bedenken.
Willkommen ist die Übernahme eines Teams bei Umstrukturierungen und Firmeninsolvenzen wie Air Berlin – und auch ansonsten gibt es Strategien, Mitarbeitergruppen auf faire Weise abzuwerben und von deren Expertise und gutem Zusammenspiel zu profitieren: Selbstverständlich darf die Abwerbung nicht während der Arbeitszeit oder in den Räumen des alten Arbeitgebers stattfinden. Auch Lügen oder schähende Bemerkungen sind nicht erlaubt. Vollkommen legitim ist es jedoch, mit besseren Arbeitsbedingungen, höherem Lohn, Urlaub oder anderen Prämien zu locken.
Möglich ist ebenfalls, dass eine erfolgreich abgeworbene Führungskraft ihre engsten Mitarbeiter mitzieht. Dadurch entsteht gewissermaßen eine beidseitige Qualitätskontrolle: Mitarbeiter folgen nur einem guten Chef – der Chef nimmt nur fähige Mitarbeiter mit. Außerdem bietet Team Hunting den Vorteil, dass in diesem Team bereits Vertrauen besteht – das fördert sowohl die Zusammenarbeit als auch die Produktivität beim neuen Arbeitgeber.
Richtig eingesetzt, können Unternehmen bei der Einstellung eines eingespielten Teams also nur gewinnen.